[ Verworrene Liebe

Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten
– und man darf sagen: sie kannten sich gut –
kam ihre Liebe plötzlich abhanden
wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken,
nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.

- Erich Kästner

Am Teetisch

Sie saßen und tranken am Teetisch,
und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
die Damen von zartem Gefühl.
„Die Liebe muss sein platonisch“,
der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
und dennoch seufzet sie : „Ach!“

Der Domherr öffnet den Mund weit:
„Die Liebe sei nicht zu roh,
sie schadet sonst der Gesundheit.“
Das Fräulein lispelt: „Wieso?“

Die Gräfin spricht wehmütig:
„Die Liebe ist eine Passion!“
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast Du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
von Deiner Liebe erzählt.

- Heinrich Heine


Ein Mensch begegnet einem zweiten,
sie wechseln Höf- und Herzlichkeiten,
sie zeigen Wiedersehensglück
und geh´n zusammen gar ein Stück.
Und während sie die Stadt durchwandern,
sucht einer heimlich von dem andern
mit ungeheurer Hinterlist
herauszubringen, wer er ist.
Dass sie sich kennen, das steht fest,
doch äußerst dunkel bleibt der Rest.
Das Wo und Wann, das Wie und Wer,
das wissen alle zwei nicht mehr.
Doch sind sie, als sie sich nun trennen,
zu feig, die Wahrheit zu bekennen.
Sie freu´n sich, dass sie sich getroffen;
jedoch im Herzen beide hoffen,
indes sie ihren Abschied segnen,
einander nie mehr zu begegnen.

- Eugen Roth

> Zurück zur Übersicht